Ruth Cortejos Als Eltern wünschen wir unseren Kindern, dass sie von anderen Kindern gemocht werden und gut mit ihnen auskommen. Das war zumindest mein Wunsch, als mein erstes Kind, Danea, anfing mit anderen Kindern zu spielen. Ich versuchte ihr beizubringen, wie man sich liebevoll benimmt, und zum größten Teil gelang ihr das auch – sie schloss Freundschaften, stritt sich nicht, dachte an andere und war hilfsbereit, und ließ mich sogar mit den anderen Kindern mitspielen. Doch die größte Herausforderung war, ihr beizubringen, andere Kinder mit ihrem Spielzeug spielen zu lassen. Um ihr größere Chancen zu geben, das zu lernen, fingen wir an, andere gleichaltrige Kinder zum Spielen einzuladen. Dieser kleine Schritt war der Schlüssel, der Danea half zu entdecken, dass es Spaß macht, mit anderen zu teilen – eine Erfahrung, die ich bei mir selber auffrischen musste, wie sich herausstellte. Eines Abends hatte Danea ihre Freundin Natalie eingeladen, um mit ihr zu spielen. Natalie war eine ihrer regelmäßigeren Spielkameradinnen, und ihr Lieblingsspiel an diesem Abend war ein reichlich illustriertes Kartenspiel, genannt: „Angeln gehen“. Obwohl die Mädchen zu jung waren, allen Spielregeln erwartungsgemäß zu folgen, machte es ihnen Spaß, sich die Bilder anzuschauen und jene herauszufischen, die sich glichen. An dem Abend, nachdem Natalie gegangen war, kam Danea zu mir und sagte: „ Mami, darf ich die Natalie schenken? Das sind ihre Lieblingskarten.“ Sie hielt drei oder vier Karten von dem Angelquartett hoch. Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich das nicht so gerne wollte, weil das Spiel dann unvollständig wäre, aber Danea bestand darauf. „Aber ich möchte sie ihr geben!“ Und wieder versuchte ich zu erklären. „ Danea, diese Karten gehören zu unserm Angelquartett. Wenn du sie Natalie gibst, sind sie weg und es fehlen dann Karten.“ „Das macht nichts, Mami, ich hab ja noch die anderen Karten.“ Ich hatte den Eindruck, dass ihr nicht klar war, dass, was immer sie verschenkte, für immer weg war. Also versuchte ich erneut, sie davon abzubringen. „Wenn du sie an Natalie verschenkst, kannst du nicht einfach morgen hingehen und sie zurück haben wollen. Wenn du ihr sie einmal gegeben hast, gehören sie ihr. “ Ein besorgter Ausdruck zeichnete sich auf Daneas Gesicht ab. Für einen Moment war ich froh, dass sie verstanden zu haben schien. Dann lächelte sie: „Ach, das macht nichts, ich möchte ihr sie trotzdem schenken.“ Was blieb mir mehr zu sagen übrig? Für einen Moment saß ich still da. Dann dämmerte es mir: Für lange Zeit hatte ich versucht, ihr beizubringen, mit anderen zu teilen, und jetzt, wo sie dabei war, das zu verstehen, versuchte ich, sie daran zu hindern. Was ging in mir nur vor? Ich war drauf und dran einen blöden Fehler zu machen! Spielte es eine Rolle, ob unser Angelquartett unvollständig war? Wenn nötig, konnte man ein neues besorgen. Was zählte war: meine Tochter lernte die Genugtuung des Schenkens kennen – an andere zu denken, anstatt an sich selbst und zu versuchen, ihre Freundin glücklich zu machen. Ist das nicht das Wichtigste im Leben? An jenem Tag brachte meine Tochter mir eine Lektion bei, an der ich heute immer noch geprüft werde. Jetzt habe ich drei Kinder und ziemlich regelmäßig kommt eins von ihnen mit einem Spielzeug oder Stofftier in den Händen zu mir, dass es einem ihrer Freunde schenken möchte. Mein erster Gedanke ist oft, wie ich sie davon abbringen kann, aber wenn ich dann darüber nachdenke, wird mir immer wieder bewusst: Materielle Dinge sind nicht für ewig, aber Kinder schon. Die Werte, die ich meinen Kindern heute beibringe, werden in der Zukunft Teil ihrer Persönlichkeit sein. Mit freundlicher Genehmigung von Activated Magazin.
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